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An Pfingsten kam der Rodensteiner zurück

Die Legende von der Wilden Jagd als opulentes Freilichttheater am Originalschauplatz

Unheimliche Gestalten tauchen aus dem Nichts hervor, sind in schwarze Gewänder gehüllt, tollen oder kriechen übers Gelände, die Fäuste meist drohend gen Himmel gereckt. Nebel wallen, Urvögel flattern. Es ist Geisterstunde auf der Burgruine Rodenstein im Fränkisch-Crumbacher Wald, und die rund 280 Besucher auf den Tribünen vor der Naturbühne gruseln sich begeistert mit.

An drei Abenden, von Freitag bis Pfingstsonntag, wollte die Spielgemeinschaft der "Sommerspiele Überwald" das mysteriöse Drama vom Rodensteiner und dem Wilden Heer am Originalschauplatz mitten im Wald von Fränkisch-Crumbach aufführen. Zwei Mal spielte das Wetter mit. Am Sonntag allerdings musste das Spektakel wegen Dauerregens ausfallen.

Geschrieben hat das opulente Stück der junge Theatermacher Danilo Fioriti. Erste Erfolge damit konnte er bereits im vergangenen Jahr auf der Tromm und in Wald-Michelbach feiern. Um wie viel eindrucksvoller, so die Überlegung der Theaterleute und der Fränkisch-Crumbacher Gemeindeverwaltung im Vorfeld, müsste dieses Thema rüber kommen, wenn die Kulissen nicht aus Holz und Pappmaché sondern aus echtem Gemäuer bestehen, und wenn sich auf der Naturbühne vor der Burg-Ruine drei Spielebenen quasi von allein ergeben? Die Rechnung ging auf. Das Interesse in der Region war riesengroß und die Karten für alle drei Aufführungstermine im Nu verkauft. Versehen mit reichlich Pullovern, wasserdichten Decken, Wanderstiefeln und Taschenlampen (schließlich befindet sich der Spielort rund zwei Kilometer vom Wanderparkplatz entfernt) zogen die Odenwälder am Freitag und Samstag unerschrocken zur Burg.

Die war im Inneren kaum wieder zu erkennen. Nicht nur, dass die Zuschauer auf soliden Holztribünen mit ausgedienten Stühlen aus der Turnhalle Platz nehmen konnten und dass am alten Ziehbrunnen Getränke ausgeschenkt wurden. Auch die Palas-Mauern hatte der Bühnenbildner Harry Hummel verwandelt. Da, wo normalerweise ein gewaltiger Spalt in der Ruine klafft, führte nun eine Holztreppe hoch in scheinbar bewohnte Privatgemächer. Wer einen Blick hinter die Burg wagte, fand des Rätsels Lösung: ein hohes Gerüst ermöglichte es den Schauspielern, von außen in die Höhe zu turnen, um dort auf- oder abzutreten. Ein weiteres Gerüst erschloss den leeren Fensterrahmen auf der rechten Mauerseite, in dem später der geheimnisvolle Urvogel Rys bedrohlich mit den Flügeln schlug.

Alles war also bestens vorbereitet für ein Eintauchen in den Fränkisch-Crumbacher Sagenschatz. Fioriti hatte für den Plot vor allem „Das Buch Rodenstein“ von Bergengruen genutzt und mehrere Geschichten kunstvoll ineinander verwoben. Ohne Kenntnis dieser Vorlage und der Hauptsage mag sich mancher Besucher allerdings ein bisschen schwer dabei getan haben, das Geschehen auf der Bühne zu verstehen. Denn sehr oft wechselten die Schauplätze, wurden die Zuschauer von der Ruine weg nach Alexandria, Ungarn und Wien entführt. Unheimliche Geistergestalten tauchten immer wieder auf, ein Zauberbuch spielte eine wichtige Rolle und es wurde viel gekämpft, meist „Schwerter gegen Krummsäbel“. Um diese Szenen überzeugend hin zu kriegen, so Regisseur Jürgen Flügge bei der Premierenfeier, hatten die Schauspieler wochenlang Unterricht nehmen müssen bei einem im Schwertkampf erfahrenen Meister aus Weiterstadt.

Die zentralen Figuren in dem Stück sind neben dem mittelalterlichen Ritter Benedict von Rodenstein (dargestellt von Ralf Schadewald) der (neuzeitliche) Knabe Max (Bastian Hahn), der im Jahre 1914 die Wilde Jagd wahrnimmt, wie sie durch die Nacht lärmt. Der Sage nach ist dieses Geisterheer dazu verdammt, kommende Kriege anzukündigen. Der Knodener Hexer Bitsch Nickel (Helmut Hüttl) ermöglicht Max eine Zeitreise zurück ins sechzehnte Jahrhundert, wo er als Knappe des Rodensteiners dessen kriegerische und amouröse Abenteuer mit erlebt. Er wird Zeuge der glamourösen Hochzeit von Benedict mit der zwar schönen, aber herrischen Katharina von Spanien (Johanna Barth), er begleitet seinen Herrn bei den Kämpfen gegen die Türken und muss machtlos zusehen, wie sein Herr Opfer böser Intrigen wird, sowohl beim kaiserlichen Hofe als auch auf seiner eigenen Burg. Um ihren Mann aus türkischer Gefangenschaft zu befreien, sucht Katharina schließlich Hilfe bei den wilden Weibchen, muss dafür aber einen hohen Preis bezahlen.

Fränkisch-Crumbach neuer Festspielort?

So schnell wird sich Fränkisch-Crumbach wohl nicht als neuer Festspielort etablieren, meinte Bürgermeister Eric Engels bei der kleinen Nachfeier im Hofgut Rodenstein unterhalb der Ruine. Denn das, was den Charme der Burg ausmacht, nämlich ihre einsame Lage mitten im Wald, erschwert naturgemäß die Annäherung. So musste sämtliches Gerät (Generator, Scheinwerfer, Ton-Mischpult, aber auch das Gerüst, die Stühle und die Aufbauten für die Tribüne) mit einem kleinen Spezialfahrzeug angekarrt werden, denn ein großer Lastwagen hätte das Burgtor gar nicht passieren können. Auch mussten die Wege zumindest auf dem letzten Stück beleuchtet, Toiletten hoch geschafft, und die wertvollen Gerätschaften in den Nächten bewacht werden. Möglich gemacht wurde all das nur, weil zahlreiche Institutionen wie das THW, der Sicherheitsdienst TKS, der gemeindeeigene Bauhof, verschiedene Ortsvereine, Firmen und auch Privatleute am selben Strang zogen und sich zum Teil sogar unentgeltlich einbrachten. Ohne die Volksbank Odenwaldkreis, die sich anlässlich ihres 150-jährigen Bestehens ein Sponsoring leistete, wäre der Gesamtaufwand ohnehin nicht zu finanzieren gewesen.

Viel Lob erhielt die rund vierzig Personen starke Überwälder Schauspielertruppe nicht nur für ihre schauspielerische Leistung, sondern auch für ihre Bereitschaft, bereits vor den Aufführungen rund eine Woche lang jeden Abend zur Ruine zu kommen, um dort von 18 bis 23 Uhr zu proben. Und das bei Temperaturen, die in den meisten Fällen kaum die Zehn-Grad-Marke überschritten!

Text: Kirsten Sundermann

 

Gemeinde bedankt sich bei Sponsoren und Unterstützern

Einen kleinen Premierenempfang nach der ersten Aufführung am Freitag im Hofgut Rodenstein nutzte Bürgermeister Eric Engels als Rahmen, um sich sowohl bei allen Mitwirkenden des Vereins Trommer Sommer e.V. als auch bei zahlreichen Sponsoren und Unterstützern persönlich zu bedanken. Die Volksbank Odenwald eG trug als Hauptsponsor zur Finanzierung bei und war vertreten durch ihre Vorstandsmitglieder Rainer Eckert, Markus Göbel und Ralf Magerkurth. Heinz Muntermann stellte mit Hilfe seiner Baufirma unentgeltlich Transportfahrzeuge und Bauwagen für die Schauspieler bereit. Für den Gerüstbau holte er ebenfalls unentgeltliche Unterstützung von dem Reinheimer Dachbau-Fachbetrieb Held & Herbert. Die beiden Autohäuser Born und Kunkel steuerten Pendelbusse bei, die von Mitgliedern des MSC Rodenstein e.V. im ADAC gefahren wurden. Auch weitere Ortsvereine und Privatleute waren zur Stelle, als es um die Ausleihe und Aufstellung ihrer Holzhütten (ansonsten im Einsatz auf dem Weihnachtsmarkt) ging: der Obst- und Gartenbauverein, der Gesangverein „Eintracht“ 1843 und die Eheleute Renate und Werner Rauth. Die Kath. Pfarrgruppe Reichelsheim/Brensbach stellte den Schauspielern ihr Zelt zur Verfügung. Auch die interkommunale Zusammenarbeit funktionierte – die Zuschauertribünen kamen von den Gemeinden Grasellenbach und Seeheim-Jugenheim, das Lichtmast-Fahrzeug zur Beleuchtung des Parkplatzes von der Feuerwehr der Gemeinde Reichelsheim. Der Premierenempfang selbst wurde ebenfalls großzügig unterstützt vom Landgasthof Hofgut Rodenstein. Bürgermeister Engels ebenso wie zuvor der Kopf der Theatertruppe Jürgen Flügge sprachen ihren Dank aus an die Familie von Gemmingen für die Überlassung der Burgruine und an die Kreisverwaltung für die unbürokratische Genehmigung. Ein ganz besonderes Lob bekamen Verwaltung und Bauhof der Gemeinde Fränkisch-Crumbach zu hören. Neben dem „Tagesgeschäft“ hatten sie eine Großveranstaltung bis ins Detail reibungslos organisiert und aus der Burgruine mitten im Wald einen Festspielort mit allem Drum und Dran geschaffen, der keine Wünsche offen ließ. Ein Dankeschön ging schließlich auch an die freiwilligen Helfer rund um die Veranstaltung: die Freiwillige Feuerwehr für Brandsicherheitsdienst und Verkehrsregelung, an Karl Vogel für Transportdienste und an die Gruppe rüstiger Ruheständler, die Walter Weidmann mobilisiert hatte zum Aufstellen und Abräumen der rund 300 Stühle.